„TO DESTROY TOWN – Darmstadt 1944“

(ho/ono)

Neues Buch zum 80. Jahrestag der Brandnacht schildert Ursachen des Angriffs und seine Folgen für die Stadt und die Menschen

Cover des Buches „TO DESTROY TOWN – Darmstadt 1944“ © Wissenschaftsstadt Darmstadt

„TO DESTROY TOWN“: So lautete der Angriffsbefehl für die Zerstörung Darmstadts im Zweiten Weltkrieg. Am 11. September 1944 warfen 234 Bomber der Royal Air Force über der Stadtmitte und den angrenzenden Wohngebieten 230 Luftminen und Sprengbomben sowie 286.000 Stabbrandbomben ab. Sie entfachten einen Feuersturm, der in seinem Kern eine Temperatur von mehr als tausend Grad aufwies. Dem Bombenangriff und dem anschließenden Feuersturm sind rund elftausend Menschen zum Opfer gefallen, ein Fünftel davon Kinder. Neunzig Prozent der Innenstadt wurden zerstört, die Hälfte der überlebenden Bevölkerung wurde obdachlos. Damit gehört Darmstadt zu den wenigen deutschen Städten, in der im Zweiten Weltkrieg bei einer einzigen Angriffsoperation mehr als zehntausend Menschen starben.

Im Mittelpunkt früherer Gedenktage standen zunächst die Darmstädterinnen und Darmstädter, die den Angriff erlebt hatten; anfangs die damals Erwachsenen, die Kriegsgeneration. Später jene, die den Angriff als Kinder und Jugendliche erlebt hatten, schutzlos und oft ohne wirklichen Begriff für das Erlebte. Ihnen gaben der 2004 entstandene Film „Brandmale“ und das Buch „Darmstadt im Feuersturm“ die Möglichkeit darüber zu erzählen, was sie ein Leben lang belastet hat.

Das schlimmste Ereignis in der Geschichte Darmstadts jährt sich nun zum 80. Mal. Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt hat aus diesem Anlass ein Buch in Auftrag gegeben, das einen zeitgemäßen Blick auf das Geschehen, auf seine Ursachen und auf seine Folgen über die Generationen hinweg bis heute wirft. Das Buch reiht sich ein in das Gedenken, das in diesem Jahr mit einer Vielzahl von Veranstaltungen begangen wird.

„Der 80. Jahrestag der Brandnacht steht im Zeichen des Gedenkens an die Opfer, an ihr Leid und ihr Schicksal. Wir wollen den Jahrestag aber auch zum Anlass nehmen, um den Menschen in Darmstadt – vor allem den Neuzugezogenen und den jüngeren Generationen – zu vermitteln, was in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944 geschah und was die Ursachen hierfür waren“, fasst Oberbürgermeister Hanno Benz die Intention der Veranstaltungen zusammen.

Das neue Buch „TO DESTROY TOWN“ über die Bombenangriffe auf Darmstadt wendet sich auch an die nachfolgenden Generationen und bezieht ihre Erfahrungen ein. Zudem ist es an die Menschen adressiert, die aus heutigen Kriegsgebieten nach Darmstadt gekommen sind, für die Krieg unmittelbar Erlebtes bedeutet.

Neben vielen historischen Fotos, davon zahlreiche bislang unveröffentlichte, umfasst das Buch Essays von Peter Engels und Klaus Honold. Peter Engels schildert als Leiter des Stadtarchivs der Wissenschaftsstadt Darmstadt mit historischer Präzision das Geschehen im Vorfeld ab dem Beginn der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, über die Kriegsereignisse und -zerstörungen selbst bis hin zum demokratischen Neuaufbau – stets entlang des heutigen Forschungsstandes. 

Klaus Honold wählt in seinem Essay einen anderen Ansatz. Er gehört nicht mehr der Erlebnisgeneration an, sondern den sogenannten Baby-Boomern, den Nachkriegsgeborenen, die gleichwohl inmitten von Trümmern aufwuchsen. Und er fragt danach, welche Trümmer in der Seele der Krieg hinterließ: bei den Kriegseltern, aber auch in seiner eigenen Generation. Honold macht sich auf eine bewegende Spurensuche, die den Wunden gilt, die auch heute noch als Folge jener Bombennacht in unserer Stadt zu finden sind, Wunden in den Straßenzügen ebenso wie in manchen Familien: Die Traumata vererben sich fort. Und er fragt nach den Ursprüngen – denn schon im Ersten Weltkrieg hatte Darmstadt sich für den Luftkrieg gerüstet. So entsteht eine intensive, persönliche Erzählung, die facettenreich zusammenfasst, was unsere Gesellschaft geprägt hat.

Beide Texte sind ein Appell, sich bewusst zu machen, was Krieg bedeutet – welche Verheerungen er anrichtet, welche maßlosen Formen der Gewalt entfesselt werden, und welche tiefschürfenden Folgen er noch über Generationen hinweg hinterlässt. Gestaltet wurde das Buch durch das Büro Polynox. Erschienen ist es im Darmstädter Justus von Liebig Verlag. „Das Buch ‚DESTROY TOWN‘ ergänzt die Texte unserer Erinnerungskultur an die Brandnacht auf wertvolle Weise. Mein herzlicher Dank gilt den beiden Autoren aber auch dem Grafiker Thomas Hahn und dem Verleger Thomas Reinheimer sowie der Bürgerstiftung Darmstadt, die den Druck großzügig unterstützt hat“, erklärt Oberbürgermeister Benz abschließend.

Das Programm der Gedenktage

Gottesdienst, Kranzniederlegung, Glockenläuten

Mittwoch, 11.9., 11 Uhr Kranzniederlegung am Gräberfeld auf dem Waldfriedhof (Am Waldfriedhof 25), mit Oberbürgermeister Hanno Benz.
Ökumenischer Gottesdienst in der Stadtkirche (Kirchstraße 11), 19 Uhr. Chorbeitrag „Wie lagt die Stadt so wüste“ von Matthias Weckmann (1667); Ansprache: Oberbürgermeister Benz. Anschließend Gang zum Mahnmal Stadtkapelle (Kapellplatz) mit Kranzniederlegung und Chorbeitrag „Wie liegt die Stadt so wüst“ von Rudolf Mauersberger (1945).
Glockenläuten: Ab 23.55 Uhr läuten die Glocken der Darmstädter Innenstadtkirchen zum Gedenken an den Angriffsbeginn am 11.9.1944.

Ausstellungen

„Feuer und Asche – Erinnerungen an die Darmstädter Brandnacht. Skulptur, Malerei, Collagen, Fotografie“; Galerie Netuschil, Schleiermacherstraße 8, 8.9.–12.10.2024. 
Eröffnung: Sonntag, 8.9., 11 Uhr.
„TO DESTROY TOWN – Darmstadt 1944“
Freiluftausstellung auf dem Ernst-Ludwigs-Platz, 10.9.–12.10.2024. 
Eröffnung: Dienstag, 10.9., 17.30 Uhr.
„TO DESTROY TOWN – Darmstadts Zerstörung aus der Luft“
Stadtarchiv Darmstadt im Haus der Geschichte, Karolinenplatz 3, 10.9.–12.10.2024. 
Eröffnung: Dienstag, 10.9., 18 Uhr.

Filme

Dienstag, 10.9., Uraufführung „Aus Asche und Trümmern“. Dokumentarfilm von Christian Gropper mit Darmstädter Schülerinnen und Schülern, 20 Uhr, Centralstation, Im Carree 1.
Mittwoch, 11.9., Late Night: „Running With Mum – der Weg meiner Mutter“ von Martin Greaves, „Brandmale“ von Christian und Jutta Gropper, 21 Uhr, Centralstation, Im Carree 1.

Lesungen

Ilona Einwohlt liest aus dem Roman „Mohnschwestern“: Mittwoch, 11.9., 19.30 Uhr, Buchhandlung am Markt, und Dienstag, 8.10., 18 Uhr, Haus der Geschichte, Karolinenplatz 3.
Peter Engels und Klaus Honold lesen aus „TO DESTROY TOWN – Darmstadt 1944“, Freitag, 11.10., 19 Uhr, Buchhandlung am Markt.

Konzerte

Olivier Messiaen, „Quatuor pour la fin du temps“. Donnerstag, 12.9., 19 Uhr, Stadtkirche, Kirchstraße 11. Joachim Enders und Solisten des Staatstheaters Darmstadt – mit Textbeiträgen von Schülerinnen und Schülern der Erich-Kästner-Schule.
Max Bruch, „Kol Nidre“, Ernest Bloch, „From Jewish Life“ u.a.. Sonntag, 15.9., 17 Uhr, Pauluskirche, Niebergallweg 20. Lukas Euler (Orgel), Irith Gabriely (Klarinette), Adriana Schubert (Cello).
Arne Gieshoff, „Music For A Concrete Structure“. Multimedialer Klangraum. Freitag, 4.10., und Samstag, 5.10., Spitzbunker auf der Knell, Sensfelderweg 33. 
Auskunft und Anmeldung: www.internationales-musikinstitut.de/gieshoff  

Vorträge

„Darmstadts Wiederaufbau aus Trümmern“, Nikolaus Heiss, Haus der Geschichte, Karolinenplatz 3. Freitag, 13.9., 18 Uhr.
„Die Darmstädter Brandnacht im Kontext des Bombenkrieges“, Professor Dr. Christof Dipper (TU Darmstadt), Residenzschloss 1, Gebäude S3/13, Hörsaal. Montag, 16.9., 18 Uhr.
„Schutzbunker des Zweiten Weltkriegs“, Nikolaus Heiss, Haus der Geschichte, Karolinenplatz 3. Mittwoch, 9.10., 18 Uhr.

Führungen

„TO DESTROY TOWN – Zerstörtes Wohnen“. Rundgang durchs Paulusviertel mit Klaus Honold. Samstag, 7.9., 15 Uhr, Paulusplatz.
„Spitzbunker auf der Knell“. Führungen des Amts für Denkmalschutz Darmstadt, Sonntag, 8.9., 11, 14, und 15.30 Uhr, Anmeldung ab 3.9. auf www.darmstadt.de/denkmalschutz 
„TO DESTROY TOWN – 80 Jahre Brandnacht“, Stadtrundgang mit Matthias Lothammer (Darmstadt Marketing). Montag, 9.9., 18 Uhr, Treffpunkt Mathildenplatz (Löwenbrunnen). 
Buchung: www.darmstadt-tourismus.de/fuehrungen 
„TO DESTROY TOWN – Orte der Brandnacht“, Führung mit Bernhard Schütz (VHS/Darmstädter Geschichtswerkstatt). Sonntag, 15.9.,14 Uhr. Treffpunkt: Luisenplatz, Brunnen vor dem Regierungspräsidium.
„TO DESTROY TOWN – 80 Jahre Brandnacht“, Stadtrundgang mit Matthias Lothammer (Darmstadt Marketing). Mittwoch, 18.9., 18 Uhr, Treffpunkt Mathildenplatz (Löwenbrunnen). 
Buchung: www.darmstadt-tourismus.de/fuehrungen  
„TO DESTROY TOWN – 80 Jahre Brandnacht“, Stadtrundgang mit Heike Jakowski (Darmstadt Marketing). Sonntag, 22.9., 15 Uhr, Treffpunkt Mathildenplatz (Löwenbrunnen). 
Buchung: www.darmstadt-tourismus.de/fuehrungen