Die rund drei Jahrzehnte nach 1950 sind gekennzeichnet durch den Wiederaufbau der Stadt in Verbindung mit einer ausgedehnten Verkehrsplanung und Stadterweiterung. Neue Wohnsiedlungen entstanden, z.B. an der unteren Rheinstraße, in Bessungen, Eberstadt und Arheilgen. Das größte Projekt bildete ab 1968 die Gründung des neuen Stadtteils Kranichstein.
Als der Verkehr in der Innenstadt explosionsartig zunahm, verbannte man die Autos durch die Schaffung von Fußgängerzonen um den Luisenplatz und den Ludwigsplatz (1980) bei gleichzeitiger Schaffung von Parkhäusern und Tiefgaragen sowie durch den Bau des Wilhelminenstraßentunnels und des Cityrings (1977/78). Zugleich wurden historische Wohnviertel wie das Martinsviertel und der Ortskern von Bessungen in den folgenden Jahrzehnten vollständig saniert.
Zu den größten Bauprojekten der folgenden Jahrzehnte gehörte neben dem Bau des Cityrings das Luisencenter mit dem Neuen Rathaus. Weitere abgeschlossene Großprojekte der Stadtentwicklung und Sanierung waren z. B. der Bau des City-Centrums „Carree“ (1998) mit vielen Geschäften und der Centralstation, die Sanierung des Hauptbahnhofs und seiner Umgebung (2005) sowie die Erschließung der Weststadt und das Kongress-Center Darmstadtium (2007).
Die räumlichen Veränderungen wurden begleitet von gesellschaftlichen Umwälzungen, die in Darmstadt auch mit Skepsis betrachtet wurden. Die Umgestaltung der Stadt im Rahmen des Wiederaufbaus zog auch Proteste der Bevölkerung nach sich, die eine Mitbestimmung bei der Veränderung ihres Lebensumfeldes forderten. Im Rahmen der Proteste gegen die “Osttangente”, einer 1972 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen vierspurigen Straße durch das Martinsviertel am Bürgerpark vorbei, gründete sich die Wählergemeinschaft DA (WGD). Sie führte die Diskussion um das Verkehrsprojekt bis zu dessen Scheitern 1978 als politische Akteurin in den städtischen Gremien.
Mehr Teilhabe und rechtliche Anerkennung forderten vermehrt auch gesellschaftliche Gruppierungen wie die Schwulenbewegung. In Darmstadt wurde 1981 im Rahmen einer Demonstration mit bundesweiter Aufmerksamkeit die Abschaffung des §175 Strafgesetzbuch und die rechtliche Gleichstellung homosexueller Menschen gefordert. Es dauerte noch bis 1994, bis das StGB entsprechend geändert wurde, nachdem die Verfolgung bundesweit über 123 Jahre gesetzlich verankert gewesen war.
In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich auch das Erscheinungsbild der städtischen Wirtschaft. Firmen des Dienstleistungsgewerbes und Forschungseinrichtungen verdrängten Firmen des produzierenden Gewerbes: die europäischen Behörde für Weltraumforschung ESOC, die Organisation für Wettersatelliten Eumetsat (1986), die GSI mit ihrem Schwerionenbeschleuniger, vorher schon das FTZ und PTZ, später Deutsche Telekom und Deutsche Post AG, dazu mehrere Fraunhoferinstitute.
Die große Dichte an Forschungseinrichtungen und fruchtbarer Synergien für die internationale und nationale wissenschaftliche Arbeit führten 1997 zur Verleihung des Titels „Wissenschaftsstadt“ durch das Land Hessen. 20 Jahre später folgte der Titel „Digitalstadt“ durch den Verein Bitkom e.V., einem Zusammenschluss von über 2.000 Firmen aus dem Technik- und IT-Bereich. Dabei wurde vor allem das Potential bewertet, das Darmstadt für eine Digitalisierung des Alltags in einer modernen Stadt zu bieten hatte.
Blickt man auf die vergangenen 100 Jahre Forschungsarbeit und Wissenschaftsförderung in Darmstadt, so ist die Stadt auch für die drängendsten Fragen der Gegenwart und Zukunft mit bestehenden Netzwerken und zukunftsweisenden Forschungsbereichen gut aufgestellt.