Nach über 100 Jahren nennt Darmstadts Jüdischer Friedhof – einer der ältesten seiner Art in Deutschland – eine vollendete Trauerhalle sein Eigen. Gesamtkosten: 573.000 Euro. Auf Initiative der Stadt entstand in zwei Jahren Bauzeit (2004-2006) eine nun überdachte Trauerhalle, deren Ursprünge bis ins Jahr 1900 zurückreichen. Geschaffen wurde nicht nur ein Wetterschutz für die jüdische Trauergemeinde, die bislang stets bei Wind und Wetter unter freiem Himmel ihre Beerdigungszeremonien vollzog.
Darmstadts Oberbürgermeister Walter Hoffmann sagte zur Einweihung: „Die neue Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs fügt sich hervorragend ins historische Gesamt-Ensemble des ‚Hauses der Ewigkeit’ ein.“ Nach jüdischem Glauben gilt ein Friedhof als „Haus der Ewigkeit“ oder auch als „guter Ort“. Hoffmann erinnerte auch an die über 300jähriger Geschichte des Jüdischen Friedhofs: So sei die Trauerhalle, die an das von Stadtbaumeister Friedrich Anton Louis bereits 1863 errichtete imposante Portal im ägyptisierenden Stil anschließt, aus bis heute ungeklärten Gründen nie vollendet worden. In der NS-Zeit blieb dem Jüdischen Friedhof, der etwa aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg (1680) stammt, die Zerstörung erspart: „Ohne den couragierten, tapferen Einsatz des Darmstädter Friedhofgärtners Oskar Werling, hätten die Nazis auch diesen Friedhof zerstört, für mich gehört Oskar Werling zu den stillen Helden unserer Stadt“, so OB Hoffmann in seiner Rede. Der Friedhofsgärtner Werling hatte den Jüdischen Friedhof während der Nazi-Zeit gegen Übergriffe von SA und SS verteidigt und so vor der Verwüstung bewahrt. Die Vollendung der Trauerhalle stelle für ihn, Hoffmann, ein Zeichen der Hoffnung, gegen das Vergessen und für die Zukunft dar. Denn heute habe die Jüdische Gemeinde Darmstadt wieder über 700 Mitglieder.
Hoffmann würdigte das Engagement der Architektin Christiane Geelhaar, die als damalige Leiterin der Abteilung Planung und Entwurf im städtischen Hochbau- und Maschinenamt das Projekt der Vollendung der Trauerhalle dank wiedergefundener Baupläne im Hochbau- und Maschinenamt vorantrieb und mit Hilfe ihres Mitarbeiterstabs verwirklichte.
Die neue Anlage, die auch einen Tahara-Raum für rituelle Waschung der Toten, einen Sozialraum fürs Friedhofspersonal, eine Reihe sanitärer Installationen und Wirtschaftsräume umfasst, sei Zeichen dafür, dass die Stadt „Erinnerungsarbeit als dauernde Aufgabe“ sehe, betonte Baudezernent Dieter Wenzel. Erhalt und Pflege des Jüdischen Friedhofs blieben – gerade vor dem Hintergrund der staatlichen Beraubung der jüdischen Deutschen in der NS-Zeit – „vornehme Aufgabe der Stadt“, so Wenzel weiter.
Auch Denkmalschutzdezernent Klaus Feuchtinger zeigte sich erfreut, dass das Projekt der Trauerhalle nun endlich zum Abschluss gekommen sei. Feuchtinger wörtlich: „Die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs Darmstadt steht nicht nur unter Denkmalschutz, sondern ist auch wertvoller Teil eines Kulturdenkmals.“
Nach der Dankesrede des Vorsitzenden der Darmstädter Jüdischen Gemeinde, Moritz Neumann, an die Stadt sprach der neue Darmstädter Rabbiner Dr. Michael Beihoff das Gedenken an die Opfer und das rituelle Totengebet, das Kaddisch.