Beim traditionellen Neujahrsempfang der Wissenschaftsstadt Darmstadt am Sonntag (19.) im darmstadtium hat Oberbürgermeister Hanno Benz die aktuellen Herausforderungen an die Stadtgesellschaft formuliert und an die Fähigkeit aller Akteure appelliert, auch in Zukunft unterschiedliche Meinungen zuzulassen und im Rahmen lebendiger Debatten stets tragfähige Lösungen zum Wohl der gesamten Stadt zu finden. Darmstadt sei eine Stadt der Chancen und des Fortschritts, eine Stadt in der man gut und gerne lebt, und es gäbe bei allen Herausforderungen zahlreiche Gründe, in Darmstadt mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Entscheidend dafür sei auch und vor allem die Kraft, Energie und das Engagement der Bürgerinnen und Bürger für die Stadt und füreinander, „das mich“, so der Oberbürgermeister, „in unzähligen Begegnungen und Gesprächen auch im letzten Jahr wieder tief beeindruckt hat.“
Es gelte, so der Oberbürgermeister in seiner gut einstündigen Neujahrsansprache, mit einem „durchdachten und gesteuertem Wachstumsplan, ein sicheres und auch wirtschaftlich prosperierendes Darmstadt zu sichern, das auch künftig bestmögliche Chancen für alle biete. „Das betrifft neben der Erhaltung bezahlbaren Wohnraums auch den Erhalt und die Entwicklung von Infrastruktur, wirtschaftlicher wie sozialer, von Flächen und Räumen für Sport und Kultur.“
Zu einer Demokratie gehöre es dabei, „dass wir über wichtige Fragen unseres Zusammenlebens politische Debatten führen“. Auch das Darmstädter Stadtparlament zeichne sich dabei durch verschiedene Haltungen, unterschiedliche Schwerpunkte und sehr lebhafte Debatten aus.“
Am Ende brauche es aber die Fähigkeit, unterschiedliche Interessen und Meinungen zusammenzubringen und Kompromisse zu finden. Dies sei an vielen Stellen gelungen. Der Oberbürgermeister dankte daher seinen hauptamtlichen Magistratskollegen, Bürgermeisterin Barbara Akdeniz, Stadtkämmerer André Schellenberg und den Dezernenten Michael Kolmer, Paul Wandrey und Holger Klötzner. Der Oberbürgermeister: „Am Ende geht es nur zusammen!“. Leitmotiv für die Politik sollte dabei aus seiner Sicht stets ein Agieren mit Weitsicht und Pragmatismus, mit Mut, Solidarität und stets lösungsorientierter Kompromissbereitschaft sein.
Benz ging auch auf die finanziell schwierige Lage der Wissenschaftsstadt ein: „Das schon kritische Defizit des vergangenen Jahres wird sich weiter verschlechtern, für die kommenden Haushaltsjahre ist eine Haushaltsvakanz von mehr als 100 Millionen Euro absehbar.“ Darmstadt stehe daher „vor einer der größten finanziellen Herausforderungen seiner Geschichte.“
Dabei scheine die Stadt doch gut aufgestellt. Sie wachse, die Wirtschaft zeichne sich durch einen breiten Branchenmix mit erfolgreichen Unternehmen aus und auch die Bevölkerungsstruktur sei ausgewogen. Dennoch stiegen die Ausgaben des wachsenden Darmstadts rapide. „Neben den fehlenden Einnahmen sorgen weitere von Bund und Land zugewiesene Aufgaben für steigende Ausgaben bei den Kommunen: Ganztagsanspruch, Unterbringung von Geflüchteten, Kliniken Öffentlicher Personennahverkehr – all das kostet Geld, so Oberbürgermeister Hanno Benz. „Der Grundsatz ‚Wer bestellt, bezahlt‘ gilt allzu oft nicht mehr, auf der Strecke bleiben die Kommunen.“ Der Oberbürgermeister appellierte daher an den Bund und an das Land, die sich in dieser Frage „nicht länger aus der Verantwortung stehlen“ dürften.
Für die Wissenschaftsstadt Darmstadt sei dabei klar, dass es zur langfristigen Behebung der prekären Haushaltslage der gemeinsamen Anstrengung aller demokratischen Kräfte brauche. „Mit Einsparungen alleine werden wir den Haushalt nicht sanieren, strukturelle Veränderungen sind dringend notwendig. So soll auch die Verwaltung noch effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher arbeiten.“ Gleichzeitig müssen nach Einschätzung des Oberbürgermeisters die Kommunen „weiter in der Lage sein, in die Zukunft zu investieren: Allein die Wärmewende und die Mobilitätswende erfordern Infrastrukturmaßnahmen, die Milliarden kosten werden. Hinzu kommen wichtige und notwendige Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung, in gute Schulen und die Digitalisierung.“ Ein rigider Sparkurs sei damit kaum vereinbar. Oberbürgermeister Benz betonte: „Bei allen Sparzwängen bilden freiwillige Leistungen das Rückgrat unserer Stadt.“
Er dankte allen Vereinen, Verbänden, Organisationen aus dem Sport, der Kultur und dem Sozialwesen: „Ihre Arbeit ist der Ausdruck von Solidarität und Gemeinschaftssinn – eine Stadt ohne freiwillige Leistungen ist keine lebenswerte Stadt.“
Benz betonte, dass aus seiner Sicht an der Fusion des Klinikums Darmstadt und des Elisabethenstifts kein Weg vorbeiführe, ebenso wie die Fusion der Sparkassen Darmstadt und Dieburg: „Wir haben die Chance, eine wirtschaftlich starke und regional verwurzelte Sparkasse zu schaffen, diese Chance werde die Darmstädter Politik nutzen.“
Zudem seien aktiver Klimaschutz, die Energie-, Verkehrs- und vor allem die Wärmewende große Herausforderungen, die im Einvernehmen aller machbar seien. Dabei gelte: „Wer nicht zu Kompromissen bereit ist und mit Klage droht, weil er sich nicht zu hundert Prozent durchsetzen kann, entzieht sich unserer Konsensgesellschaft – dann geht es nur um die eigenen Interessen und nicht mehr um die Gemeinschaft.“
Benz würdigte außerdem die gute Zusammenarbeit mit der Polizei in Darmstadt und erinnerte an den im vergangenen Jahr unterzeichneten Zehn-Punkte-Plan zur öffentlichen Sicherheit und an die Absichtserklärung zur Einrichtung eines „Haus des Jugendrechts.“ Damit werde dazu beigetragen, dass neben dem Leben in Sicherheit auch das Recht auf Würde gelte. „Die entscheidende Trennlinie in unserer Demokratie verläuft nicht zwischen Einheimischen und Neubürgern und nicht zwischen Glaubensgemeinschaften – die entscheidende Trennlinie verläuft zwischen Demokraten und Nicht-Demokraten.“
Oberbürgermeister Benz rief daher dazu auf, „gemeinsam gegen Rassismus, Antisemitismus und jede Form von antidemokratischem Verhalten einzutreten.“
Von einer neuen Bundesregierung forderte der Darmstädter Oberbürgermeister daher, „alles Notwendige in die Wege zu leiten, um ein Parteienverbot der AfD zu prüfen.“ Dies sei, so Benz, „kein Angriff auf die Meinungsfreiheit, sondern ein notwendiger Schritt, um die AfD mit allen legitimen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. Es ist in unser aller Verantwortung, in unserer Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in unseren Vereinen Stellung zu beziehen und uns klar gegen extremistische Tendenzen zu positionieren.“
Es brauche mehr denn je politisch engagierte Menschen, die sich am demokratischen Prozess beteiligen. Der Oberbürgermeister rief daher abschließend dazu auf, am 23. Februar an der Bundestagswahl teilzunehmen: „Unterstützen Sie mit Ihrer Stimme die demokratischen Kräfte in unserem Land!“
Das Rahmenprogramm zum städtischen Neujahrsempfang gestalteten die in diesem Jahr seit 100 Jahren bestehende Hessische Spielgemeinschaft und der Musiker Joachim Enders.