
Der Kulturdezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, Oberbürgermeister Hanno Benz, hat am heutigen Samstag (22.) um 20 Uhr im Kulturwerk Centralstation den Leonce-und-Lena-Preis 2025 an Sandra Burkhardt (geboren 1992 in Laupheim) vergeben. Die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise gehen an Ana Tcheishvili (geboren 1993 in Tbilissi, Georgien) und Ozan Zakariya Keskinkılıç (geboren 1989). Mit dem Leonce-und-Lena-Preis ist ein Preisgeld von 8.000 Euro verbunden, die Wolfgang-Weyrauch-Förderpreise sind mit jeweils 4.000 Euro dotiert. Die Entscheidung über die Preisvergabe trafen die Jurymitglieder Prof. Dr. Frieder von Ammon, Yevgeniy Breyer, Dagmara Kraus, Nadja Küchenmeister und Alexander Schnickmann.
Dem Lektorat, das eine Vorauswahl unter den 463 Bewerbungen traf, gehörten Christian Döring, Kurt Drawert und Beate Tröger an.
Die Jury schreibt in ihrer Begründung zur Preisvergabe des Leonce-und-Lena-Preises an Sandra Burkhardt: „Erst, wenn alles freigelegt ist, kann das Ich die Welt betreten. Ein Ich, das immer wieder aufs Neue zweitausend Jahre Tradition durchmisst, um sich selbst zu erbauen, einen Bogen zu schlagen, Spitzbögen, Spritzbögen, zwei Flügel und ein Mittelschiff – das sich fortschreibt in einem fantastischen Zeichenspiel und in sein verlassenes Zentrum zurückfließt.
Der Leonce-und-Lena-Preis des Jahres 2025 geht an Sandra Burkhardt für einen poetologischen Grenzgang, für einen Zauber* und Augur*innenspruch, für Wildes und Sakrales, grandiose Gelehrsamkeit, überspringenden Humor und die endgültige Beantwortung der Frage, was denn nun eigentlich queer heißt. ‚Das Lektüre-Ergebnis liegt nun vor‘, und so wird die Welt geschaffen, lustvoll, gotisch, neu-neu-gotisch.“
Zu Ana Tcheishvili schreibt die Jury: „Den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2025 verleiht die Wissenschaftsstadt Darmstadt einer Autorin, die auf einzigartige Weise das Unsagbare und Unheimliche zur Sprache bringt. In ihren Gedichten sind ‚die Bilder verkehrt‘, in der Waschmaschine wohnen jetzt Fische, und kein Stuhl hat eine Lehne. Sie bricht das scheinbar Vertraute in seine unvertrauten Einzelteile, macht es dadurch erkennbar und verfremdet es zugleich. Diese eindrucksvolle Stimme fordert uns alle existenziell heraus. Man vergisst sie nicht mehr. Der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2025 geht an Ana Tcheishvili."“
Der zweite Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis der Stadt Darmstadt 2025 wird Ozan Zakariya Keskinkilic zugesprochen: „Den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis verleiht die Wissenschaftsstadt Darmstadt für einen Gedichtzyklus, der seinen Ausgang im urbanen Berlin von heute nimmt und über Umwege gewitzt, anspielungsreich und provokant einen Bogen spannt ins 9. Jahrhundert. Figuren der Gegenwart spiegeln sich in einem mittelalterlichen Elefanten und navigieren mit ihm mehrsprachig zwischen den Lücken der Landkarte. Den Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis 2025 erhält Ozan Zakariya Keskinkilic.“
Bereits zum 24. Mal hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt den Literarischen März ausgerichtet. Seit 1979 werden in diesem Rahmen der Leonce-und-Lena-Preis und seit 1997 der Wolfgang-Weyrauch-Förderpreis alle zwei Jahre von der Wissenschaftsstadt Darmstadt vergeben.
Zehn junge Autorinnen und Autoren hatte das Lektorat des Literarischen März 2025 unter 463 Bewerbungen ausgewählt: Am 22. März 2025 traten sie in Lesungen in der Darmstädter Centralstation an und stellten sich der Kritik. Bewerben konnten sich Nachwuchslyrikerinnen und -lyriker, die nicht vor 1989 geboren sind.
Autobiografien:
Sandra Burkhardt:
Geboren 1992 in Laupheim. Studierte Kunstgeschichte und Literarisches Schreiben in Karlsruhe, Leipzig und Berlin. 2018 erschien ihr Debutband Wer A sagt, in dem sie sich mit Phänomenen des Ornamentalen beschäftigt, im Gutleut Verlag. 2024 folgte Fragmente einer echten Ikone mit Fehlübersetzungen von Liebesgedichten Francesco Petrarcas bei kookbooks. Seit 2020 ist sie Mitglied des deutsch-arabischen Literatur- und Übersetzungskollektivs Wiese (wie es ist) مرج.
Bibliografie:
2024
Fragmente einer echten Ikone. Petrarca-Variationen. Berlin
„Just what is it that makes today’s hammers so different, so appealing?“, in: Edit H. 91 (2024), S. 96-98.
2023
„Umwindungen, Umwandlungen: Eine Übersetzung“, in: Ociepa, Gabriela/Schellenberger, Erika (Hrsg.): Rabenbetrachtungen II. Notizen aus dem Ubbelohde-Haus. Heidelberg 2023, S. 7-29.
Beitrag für „Vom Wurzelfassen / Ins Bodenlose. Die Textgelände von Materianne Fritz“, zusammengestellt von Sonja vom Brocke und Dagmara Kraus, in: Schreibheft H. 100 (2023), S. 165.
2022
„Jana Radičević - Sandra Burkhardt / Sandra Burkhardt - Jana Radičević", in: Strunk,Sladjana/Gumz, Alexander/Wohlfahrt, Thomas (Hrsg.): VERSschmuggel. Poesie aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro, Serbien, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Heidelberg u.a. 2022, S. 150-179.
„Hauptversammlung Hausputz“, in: Mütze H. 32 (2022), S. 1630-1633.
2021
„Unter welchem Hut steckt Beuys? Eine Annäherung der Wiese / مرج in Briefen“, in: Nina Schallenberg (Hrsg.): Von der Sprache aus. Joseph Beuys zum 100. Geburtstag. Ausst.-Kat. 13. Juni - 19. September 2021, Hamburger Bahnhof, Staatliche Museen zu Berlin. Berlin 2021, S. 30-39.
2020
„[Der Türm]“ in: Mütze H. 28 (2020), S. 1460-1463.
2019
„Das Exterieur“, in: Dündar, Özlem/Göhring, Mia/Othmann, Ronya/Sauer, Lea (Hrsg.): Flexen. Flâneusen* schreiben Städte. Berlin 2019, S. 193-200.
2018
Wer A sagt. Frankfurt am Main
„Interieurs“, in: Edit H. 74 (2018), S. 114-115.
2015
„Fischbahnen“, in: bella triste H. 42 (2015), S. 46-59.
„No me llores lagrimitas“, in: Die Literarische Welt, 29.09.2018.
„Unter einem anderen Mond. Carlo Ginzburg und die Hermeneutik der Risse“, in: Weimarer
Beiträge 66 (2020) H. 1, S. 19-35.
Hrsg. mit Louis M. Berger u. Hajo Raupach: Leben am Ende der Zeiten. Wissen, Praktiken und
Zeitvorstellungen der Apokalypse, Frankfurt am Main 2021.
„Reich ohne König. Reconquista und Endspiel der Neuen Rechten“, in: Louis M. Berger, Hajo
Raupach, Alexander Schnickmann (Hrsg.): Leben am Ende der Zeiten. Wissen, Praktiken und
Zeitvorstellungen der Apokalypse, Frankfurt am Main 2021, S. 145-170.
„Wo ich wechkomm“, in: Berliner Zeitung, 25./26.09.2021.
„brandenburg machine“, in: [kon] paper No. 9: Lärm, November 2022.
Rezensionen in Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, H-Soz-Kult, Journal 360 Grad,
Tagesspiegel, Berliner Zeitung.
Ana Tcheishvili
Geboren 1993 in Tbilissi, Georgien. Hat Psychologie und Liberal Arts in Tbilissi, Berlin und Leipzig studiert. Sie schreibt hauptsächlich Lyrik in deutscher und georgischer Sprache, veröffentlicht in deutschsprachigen literarischen Zeitschriften und Anthologien und tritt bei Lesungen auf, darunter auch beim Poesiefestival 2024 in Berlin. Ihr erster Gedichtband, Der Tote ist nicht von uns, ist im Herbst 2024 im Verlagshaus Berlin erschienen. Derzeit arbeitet sie als Psychologin und studiert am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig.
Bibliografie:
2024
Eigenständige Publikationen
Der Tote ist nicht von uns (Gedichtband)
Verlagshaus Berlin,
Berlin, Deutschland
Kreuzer Leipzig
Rubrik: Gedicht des Monats
Leipzig, Deutschland
Manuskripte. Zeitschrift für Literatur
„ausnahmen/murmeln“
Lyrik aus Schreibwerkstätten, ausgewählt und zusammengestellt von Yevgeniy Breyger
Graz, Österreich
Tippgemeinschaft. Jahresanthologie des Deutschen Literaturinstituts Leipzig
„Ohne Titel“ (Langgedicht)
Connewitzer Verlagsbuchhandlung,
Leipzig, Deutschland
ქართული ქვიარ პოეზიის ანთოლოგია
[Die Anthologie der georgischen queeren Lyrik]
„ბენზო და გოზინაყი“
Indigo Publishing Ltd.
Tbilissi, Georgien
2023
JENNY. Magazin für Texte
„Which month is the cruellest month?“ (Gedichtzyklus)
Wien, Österreich
2022
Digitale Plattform der Women’s Initiative Supporting Group
Übersetzungen aus dem Englischen ins Georgische:
Kriegstagebücher von Asia Bazdyrieva (Kyiv, Ukraine)
Tbilissi, Georgien
2014
Demo.ge. Digitale Plattform für Literatur
ტომეკი (Kurzgeschichte)
Tbilissi, Georgien
Ozan Zakariya Keskinkılıç
Geboren 1989. Ist Politikwissenschaftler, freier Autor und Lyriker. Er studierte Politik- und Sozialwissenschaften in Wien, Berlin und Cambridge. Neben wissenschaftlichen Texten und Kolumnen schreibt er Essays, Hörstücke, Prosa und Lyrik. Im August 2022 debütierte Keskinkılıç mit dem Gedichtband Prinzenbad im Elif Verlag, für den er 2024 für den Clemens-Brentano-Preis und den Dresdner Lyrik Preis nominiert wurde. Seine Gedichte wurden ins Englische, Italienische, Kasachische und Tschechische übersetzt. 2023 war er Teilnehmer des 26. Klagenfurter Literaturkurses und Stipendiat der Stiftung Niedersachsen im Programm SchreibZeit „Lyrik im digitalen Zeitalter“. Keskinkılıç tritt mit literarischen Performances auf diversen Festivals und in Kulturveranstaltungen auf. Seine Gedichte werden im Rahmen von Kunstausstellungen und musealen Interventionen präsentiert, u.a. im Grassi Museum Leipzig, in der Literaturpassage Wien und zuletzt im Künstlerhaus Bethanien in Berlin. Aktuell schreibt Keskinkılıç an seinem zweiten Gedichtband.
Bibliografie:
2022
Prinzenbad. Gedichte, Elif Verlag