Die städtische Denkmalschutzbehörde hat in ihrer Reihe „Denkmalschutz in Darmstadt“ die neue Broschüre „Luftschutz in Darmstadt. Sechzehn historische Orte“ veröffentlicht – zeitlich passend zum 80. Jahrestag der Darmstädter Brandnacht vom 11. September 1944. Darin werden auf 48 Seiten sechzehn Orte vorgestellt, in denen Menschen Schutz vor Luftangriffen suchten und die unterschiedliche Luftschutzaspekte thematisieren. Eine Übersichtskarte ermöglicht die Verortung und Orientierung. Die Broschüre ist kostenfrei bei der Denkmalschutzbehörde erhältlich und kann auf der städtischen Webseite https://www.darmstadt.de/darmstadt-erleben/kultur/denkmalschutz/veroeffentlichungen heruntergeladen werden.
Die meisten der beschriebenen Beispiele stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Basierend auf den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg, in dem es erstmals Luftangriffe auch auf weit hinter der Front liegende Städte gab, begannen die Nationalsozialisten schon bald nach der Machtübernahme Luftschutzmaßnahmen zu entwickeln und zu installieren. In der Planung galt Darmstadt als Luftschutzort der II. Kategorie und war ohne finanzielle Unterstützung des Reichs für den zivilen Luftschutz selbst verantwortlich. Einen Großbunker für Darmstadt gab es daher nicht. Stattdessen wurden vorhandene Kelleranlagen, wie die ehemaligen Bierkeller entlang der Dieburger Straße oder der Keller unter dem Eberstädter Rathaus, zu öffentlichen Luftschutzräumen ausgebaut und genutzt; an Bahnhöfen wurden Splittergräben und Betondeckungen eingerichtet wie noch immer am Ostbahnhof zu sehen ist. Ein ausreichender Schutz für die gesamte Bevölkerung war damit allerdings nicht gewährleistet und so waren in Darmstadt – im Vergleich zu Frankfurt und Mainz – viele Kriegsopfer zu beklagen.
In Darmstadt wurde vor allem die Bevölkerung in die Verantwortung genommen, private Luftschutzräume in Kellern einzurichten und diese gegen Einsturz und Splitter zu sichern. Spuren des privaten Luftschutzes sind in Form von Luftschutztüren, vermauerten Keller- und Giebeldurchbrüchen, gesicherten Ausstiegsluken oder Markierungen noch vielerorts sichtbar, die Broschüre zeigt einige Beispiele.
Die lokale Industrie organisierte einen eigenen Werkluftschutz, um ihr Fachpersonal, ihre Produktionsanlagen und ihre Produkte zu schützen und um Produktionsausfälle und Versorgungsengpässe so gering wie möglich zu halten. In der Broschüre wird beispielhaft ein Schutzraum der Firma Merck gezeigt. Geschützt wurden auch die Anlagen und Bediensteten der Reichsbahn, die als kritische Infrastruktur nicht nur zum Transport von Reisenden, sondern auch von Produktionsmitteln, Nachschub, Kriegsgerät und Soldaten von hoher Bedeutung waren. Daher gibt es in Bahnhöfen, Bahnausbesserungswerken und anderen Einrichtungen Schutzräume oder Deckungsgräben, teils auch Kleinbunker für die Bahnbediensteten. Einige davon werden in der Broschüre gezeigt. Weithin bekannt sind die Spitzbunker auf der Knell.
Der Schutz wertvoller Kulturdenkmäler spielte demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Unter dem Hessischen Landesmuseum wurde ab 1938 im Geheimen ein Luftschutzbunker gebaut.
Als Reaktion auf die vermehrten Luftangriffe der Alliierten wurde ab 1941 der aktive Luftschutz ausgebaut. Flugabwehrkanonen bzw. Flakstellungen wurden auf Hochbunkern wie dem heutigen Mozartturm eingerichtet oder auch an militärisch günstigen Orten wie der Terrasse auf der Ludwigshöhe angelegt.
Nach 1945 wurden viele Luftschutzräume entfestigt, abgerissen und für die zivile Nutzung wieder rückgebaut. Angesichts der Kuba-Krise 1962 und einem drohenden Atomkrieg aber wurden öffentliche Atombunker wie der unter dem Karolinenplatz, Schutzräume gegen atomare, biologische und chemische Waffen unter den Bauten der Bundesbehörden auf dem Gelände des Fernmeldetechnischen Zentralamtes angelegt und Raketenabwehrsysteme auf dem August-Euler-Flugplatz stationiert. Auch diese Beispiele sind in der Broschüre zu finden. Mit dem Ende des Kalten Krieges 1989 wurde der Bau von öffentlichen Schutzräumen eingestellt und das Vorhalten vorhandener Bunker vielfach eingestellt.
„Bei der Erarbeitung der Broschüre hat uns vor allem die Anzahl der noch vorhandenen Zeugnisse überrascht. Dass es in so vielen Kellern und an so vielen Orten noch Reste von Luftschutzeinrichtungen gibt, hatten wir nicht erwartet. Auch nach Drucklegung der Broschüre haben uns Hinweise erreicht, die wir gerne aufnehmen und sammeln. Die Broschüre zeigt eindrücklich, wie präsent die Spuren des Zweiten Weltkriegs noch immer sind. Es ist wichtig, dass der Denkmalschutz diese Spuren erkennt, dokumentiert und der Nachwelt erhält“, so Denkmalschutzdezernent Michael Kolmer.