Die Wissenschaftsstadt Darmstadt hatte bei ihrem Neujahrsempfang am Sonntag, 19. Januar 2020, im Darmstadtium über sechshundert Bürgerinnen und Bürger zu Gast, darunter Vertreterinnen und Vertreter von Politik und Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft, den Kirchen, Sport und Kultur.
Seine Neujahrsansprache stellte Oberbürgermeister Jochen Partsch ganz ins Zeichen der Herausforderungen, die der technologische Wandel, die dynamische Entwicklung der Stadt, aber auch die Klimakrise für die Bürgerschaft bedeuten – die Menschen, denen Darmstadt schon lange Heimat ist, den Neuhinzugezogenen und jenen, die in den kommenden Jahren hier ihr Zuhause finden werden. Mit Blick auf diese Entwicklung gab es eine klare Ansage: „Wir werden den Westwald erhalten. Und wir werden den Wald zwischen Lincoln und Eberstadt erhalten.“
Man werde das Wachstum nicht fördern, sagte der OB zum Anstieg der Einwohnerzahl – seit 1995 um etwa 27 000 Menschen. Er betonte aber auch: „Die Stadt der Zukunft ist schon da. Das Wachstum vollzieht sich im Bestand, ohne zusätzlichen Flächenverbrauch.“ Partsch appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, die Konflikte, die sich aus der Entwicklung für den Zusammenhalt der Gesellschaft ergeben, besonnen anzugehen, „in kommunikativer Vernunft“. Die Auseinandersetzungen um die Ziele – „wie soll sich diese Stadt entwickeln?“ – sollten fair ausgetragen werden und ohne den Kern demokratisch legitimierter Entscheidungen zu beschädigen.
Um die Herausforderungen zu bewältigen und die Chancen, die sie bieten, zu nutzen, „brauchen wir ökologische Infrastruktur“, bekräftigte der OB. „Dazu gehört die Schiene, dazu gehört der ICE.“ Die Probleme freilich ließen sich heute nicht mehr von einer Stadt allein lösen – „die Themen des Wohnens, des Verkehrs, der Energieversorgung können wir nur regional leisten, anders werden wir es nicht schaffen.“ Partsch kündigte auch beim Wohnungsbau gemeinsame Anstrengungen mit dem Landkreis an und verwies auf den erfolgreichen ersten Verkehrsgipfel; dies Konzept werde fortgesetzt.
Letztlich stehen alle kommunalen Ziele unter dem Vorbehalt, ob die Transformation der ökologischen und ökonomischen Infrastruktur auch global gelingt, „die Überwindung einer Wirtschaftsform, die unseren Planeten zu zerstören droht“. Wiederholt sprach der OB die Bewegung „Fridays for Future“ an, Proteste und Mahnungen, die ihn im vergangenen Jahr sehr beeindruckt haben. „Die Perspektive dieser jungen Menschen ist eine ganz andere als die unserer Generation“, sagte Partsch. „Das müssen wir ernstnehmen.“ Er zitierte den „Green New Deal“, den die neue EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, ins Spiel gebracht hatte. „Wir brauchen einen Green New Deal der Weltwirtschaft!“ sagte Partsch unter großem Beifall des Publikums.
Der Oberbürgermeister zeigte sich zuversichtlich, dass Darmstadt die Fähigkeit habe, seine Aufgaben erfolgreich zu meistern – dank einer Tradition, die im Aufbruch der Moderne um 1900 wurzelt und die darauf zielt, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zusammenzubringen, die immer wieder, wie auch nach 1945, „in der Selbstvergewisserung über die Fragen der Zeit“ mündet. „Das ist der Darmstädter Geist, das brauchen wir jetzt ganz besonders.“
Mit großer Spannung begleite Darmstadt daher die anstehende Entscheidung, ob die Mathildenhöhe – der Ort des Aufbruchs der Moderne – Welterbe wird. Getroffen wird sie im Juni in China. Darmstadt hat in Erhalt, Sanierung und Erneuerung der Mathildenhöhe mittlerweile 40 Millionen Euro investiert. „Egal wie die Entscheidung fällt, das Ausstellungsgebäude wird in neuem Glanz dastehen, mit einem der schönsten Cafés Darmstadts und einem sanierten Platanenhain“, sagte der Oberbürgermeister und schloss: „Das hat sich auf jeden Fall gelohnt.“
Zuvor hatte Oberbürgermeister Sven Krüger die Grüße der sächsischen Partnerstadt Freiberg überbracht. Die Jumelage zwischen Darmstadt und Freiberg jährt sich heuer zum 30. Mal. Krüger erinnerte an die vielfältige Hilfe, die man gerade in den ersten Nachwendejahren aus Darmstadt erfahren habe – „ohne diese wäre der Wiederaufbau kommunaler Strukturen viel schwerer geworden; das hat uns fit gemacht.“
Die Berg- und Silberstadt Freiberg mit der „Montanregion Erzgebirge“ ist im vergangenen Jahr zum Unesco-Welterbe erklärt werden. OB Krüger hatte einen Silberklumpen als Geschenk dabei – „ein Glücksbringer, damit Darmstadt es auch schafft.“